Nachtflüge in Hamburg eskalieren – Umweltsenator Kerstan fordert Einschreiten

Die Debatte um die steigende Zahl verspäteter Nachtflüge, den Fluglärm und ein Nachtflugverbot am Flughafen Hamburg erreicht eine neue Dimension. Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) hat sich im Hamburger Abendblatt erstmals klar für ein Startverbot nach 23 Uhr ausgesprochen – und stellt sich damit gegen die SPD-geführte Wirtschaftsbehörde unter Senatorin Melanie Leonhard, die weiterhin an der umstrittenen Verspätungsregelung festhält.

Klare Ansage: Kerstan fordert Startverbot nach 23 Uhr

In einem exklusiven Interview mit dem Hamburger Abendblatt sprach sich Kerstan erstmals deutlich für eine Korrektur der bisherigen Praxis aus:

“Ich spreche mich für eine Lösung aus, die Starts nach 23 Uhr am Hamburger Flughafen verbietet – diese sind immer vermeidbar.”

Er sieht in einer neuen Legislaturperiode nach der Bürgerschaftswahl am 2. März 2025 die Chance, endlich strengere Regeln durchzusetzen. Außerdem forderte er eine klare Definition des Begriffs „unvermeidbare Verspätung“, um den Missbrauch der Ausnahmeregelung durch die Airlines zu verhindern.


Den vollständigen Artikel (PDF) im Hamburger Abendblatt lesen: hier klicken!


Kurz nach der Veröffentlichung des Interviews zog die Hamburger Morgenpost nach und titelte: „Radikaler Schnitt: Umweltsenator fordert Nachtflugverbot am Hamburger Flughafen“. Kerstan bekräftigte dort nochmals seine Position und stellte klar, dass die Airlines ihre Umlaufplanung anpassen müssen, um Nachtflüge zu vermeiden.


Den vollständigen Artikel der MOPO lesen: Radikaler Schnitt: Umweltsenator fordert Nachtflugverbot am Hamburger Flughafen


Steigende Zahlen bestätigen das Versagen der Regelung

Die Forderung von Kerstan kommt nicht aus dem Nichts: Allein im Januar 2025 gab es 42 verspätete Flüge nach 23 Uhr – doppelt so viele wie im Januar des Vorjahres. Die Zahlen bestätigen, was der Umweltverband BIG Fluglärm in Hamburg seit Monaten anprangert: Die bestehende Verspätungsregelung greift nicht mehr und wird von den Airlines systematisch ausgereizt.


Zum Artikel: Nachtflugverspätungen eskalieren – BIG Fluglärm fordert Konsequenzen

Die Erkenntnis von Kerstan steht im direkten Widerspruch zu den Aussagen von Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD). Während Kerstan das Problem klar benennt, lehnt die Wirtschaftsbehörde weiterhin jede Korrektur ab.

„Wenn der Senat nicht bald handelt, droht 2025 ein neues Rekordjahr an verspäteten Nachtflügen. Die Menschen in Hamburg werden das nicht länger hinnehmen,“ warnt Martin Mosel, Vorsitzender von BIG Fluglärm Hamburg.

Gutachten bestätigt massiven Handlungsbedarf – Wirtschaftsbehörde ignoriert klare Fakten

Bereits im März 2024 wurde das von BIG Fluglärm beauftragte Gutachten der Fachanwältin für Verwaltungsrecht, Dr. Franziska Heß, in der Allianz für den Fluglärmschutz vorgestellt. Die Allianz unterstützte die Finanzierung, um eine fundierte rechtliche Bewertung der bestehenden Regelung zu ermöglichen.

Das Gutachten untersuchte detailliert die rechtlichen Mängel der derzeitigen Verspätungsregelung sowie ihre Auswirkungen auf die Nachtruhe der Anwohner:innen. Die Ergebnisse sind alarmierend:

  • Die Verspätungsregelung erfüllt ihren ursprünglichen Schutzzweck nicht mehr.
  • Der Begriff „unvermeidbare Verspätung“ ist rechtlich unbestimmt und erlaubt Airlines, sich unkontrolliert auf diese Ausnahmeregelung zu berufen.
  • Die nachträgliche Kontrolle der gemeldeten Verspätungen ist ineffektiv – Entscheidungen dauern oft Monate.
  • Die Wirtschaftsbehörde trägt die Verantwortung für die Untätigkeit, da sie die seit Jahren bekannten Missstände nicht korrigiert.

Dr. Franziska Heß betont:

“Die bestehenden Regelungen zum Schutz der Nachtruhe sind in ihrer aktuellen Form nicht durchsetzbar. Die Behörde hat eine Beobachtungs- und Handlungspflicht, die sie seit Jahren ignoriert. Spätestens mit der anhaltenden Zunahme der verspäteten Nachtflüge ist eine rechtliche Anpassung unumgänglich.”

Das Gutachten zeigte zudem auf, dass andere Flughäfen in Deutschland längst strengere Regelungen eingeführt haben, um Nachtflüge konsequent zu reduzieren. Hamburg hingegen hält an einem veralteten und missbrauchsanfälligen System fest, das den Schutz der Bevölkerung faktisch aushebelt.

Trotz dieser eindeutigen Erkenntnisse bleibt die Wirtschaftsbehörde untätig. Anfragen zu konkreten Maßnahmen oder Anpassungen werden mit dem Verweis auf „Prüfungen innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Fristen“ abgetan. Auch an dieser Stelle zeigt sich erneut der Unwille der Wirtschaftsbehörde, konstruktiv zu einer Lösung beizutragen.

Während Kerstan eine sofortige Veränderung fordert, setzt die Wirtschaftsbehörde auf Verzögerungstaktik – eine Strategie, die sich bereits in den letzten Jahren als zermürbend für die betroffenen Anwohner:innen erwiesen hat.

Bürgerschaftswahl 2025: Möglichkeit für Betroffene, „den Teil der Willigen“ zu stärken

Politisch ist nach aktuellem Stand davon auszugehen, dass es bei der bestehenden Koalition aus SPD und Grünen bleiben wird. Die Bürgerschaftswahl am 2. März 2025 gibt den betroffenen Anwohner:innen jedoch die Möglichkeit, innerhalb dieser Koalition den „Teil der Willigen“ zu stärken.

Wie sich die Parteien – insbesondere SPD und Grüne – in der Frage der Nachtflugregelung positionieren, ist im BIG-Wahlspezial zusammengefasst.


Alle Positionen der Parteien zur Nachtflugregelung nachlesen unter:

🌍 www.big-wahlspezial.de


BIG fordert sofortige Maßnahmen: Kerstan setzt ein klares Signal – nun muss gehandelt werden

Angesichts der unkontrollierten Entwicklung fordert BIG Fluglärm Hamburg:

  1. Echte Kontrolle der Nachtflugbeschränkungen: Die Behörde muss endlich eingreifen und die Verspätungsregelung konsequent verschärfen und umsetzen.
  2. Schluss mit der „Genehmigungsfiktion“: Die pauschale Erlaubnis für verspätete Flüge muss abgeschafft werden.
  3. Drastische Sanktionen für notorische Verspätungstäter: Airlines, die systematisch verspätete Flüge durchführen, müssen mit empfindlichen Strafen belegt werden – bis hin zum Entzug von Start- und Landerechten.
  4. Verwendungspflicht für Verspätungsentgelte: Einnahmen aus Verspätungsgebühren müssen zwingend für den Fluglärmschutz eingesetzt werden.
  5. Strukturierte Reduzierung des Nachtflugverkehrs: Hamburg muss sich für einen nachhaltigen und lärmreduzierten Flugbetrieb einsetzen. Ziel muss die schrittweise Abschaffung von Nachtflügen und die Förderung alternativer Verkehrsmittel sein.

Die Wahl im März könnte dazu beitragen, endlich Bewegung in die festgefahrene Debatte zu bringen. Die Betroffenen haben es in der Hand, diejenigen politischen Kräfte zu stärken, die tatsächlich zu Veränderungen bereit sind.