„Mehr Flugverkehr, mehr Belastung“ – BIG Fluglärm verwahrt sich gegen BDL-Forderung nach Steuererleichterungen

BIG kritisiert Forderung der Luftverkehrswirtschaft nach Abschaffung der Steuer – Hamburg besonders betroffen

Die Luftverkehrswirtschaft schlägt Alarm: Am bundesweiten Wirtschaftswarntag fordert der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) die Abschaffung der Luftverkehrssteuer. Die Begründung: Deutschland verliere durch hohe Standortkosten an Wettbewerbsfähigkeit und riskiere seine internationale Anbindung.

Doch Umwelt- und Bürgerinitiativen halten dagegen – allen voran der Umweltverband BIG Fluglärm in Hamburg. Der Vorsitzende Martin Mosel warnt vor den Folgen eines ungebremsten Wachstums des Luftverkehrs: „Fliegen ist zu billig – auf Kosten von Umwelt und Gesundheit. Die Luftverkehrssteuer ist eines der wenigen Steuerungsinstrumente, die wir haben. Wer sie abschafft, setzt falsche Anreize.“

Hamburg leidet bereits unter zu viel Flugverkehr

Hamburg gehört in Deutschland zu den stark von Fluglärm betroffen Großstädten. Der Flughafen Hamburg liegt eingebettet in dicht besiedelte Wohngebiete, und die Ein- und Abflugrouten führen direkt über zahlreiche Stadtteile. Wohngebiete grenzen zum Teil direkt an den Flughafenzaun.

Die gesetzliche Nachtruhe beginnt allgemein um 22 Uhr. Der Flughafen in Hamburg hat eine genehmigte Betriebszeit bis 23 Uhr. Trotz Nachtflugbeschränkung kommt es regelmäßig zu verspäteten Starts und Landungen bis weit nach Mitternacht. 2024 wurden allein nach 23 Uhr über 1.000 Starts und Landungen gezählt – eine Zahl, die zeigt, wie wenig die Nachtflugbeschränkung tatsächlich eingehalten wird. Unbestimmte Ausnahmen und eine fehlende Gebührenregelung für die Überprüfung dieser Ausnahmen laden gerade zu ein, die Nachtflugbeschränkung auszunutzen.

„Es ist nicht nur der Lärm an sich – es sind die dauerhaften gesundheitlichen Folgen“, erklärt Mosel. „Schlafstörungen, erhöhter Blutdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen – das alles sind belegte Auswirkungen von Fluglärm. Wer einmal in einer Sommernacht in Fuhlsbüttel versucht hat, bei offenem Fenster zu schlafen, weiß, wovon ich spreche.“

Subventionierter Luftverkehr auf Kosten der Anwohner

Ein wachsender Flugverkehr bedeutet auch mehr Belastung durch Abgase. Der Flughafen Hamburg mit seinem Flugverkehr ist eine der größten CO2-Emissionsquellen der Stadt. Startende und landende Flugzeuge sowie der Zubringerverkehr auf der Straße tragen erheblich zur schlechten Luftqualität in den angrenzenden Stadtteilen bei. Das noch unbestimmte Risiko durch Feinstaub führt zu Umweltbelastungen die weit in das Hinterland nach Schleswig-Holstein und Niedersachsen getragen werden.

Dennoch bleibt der Flugverkehr steuerlich massiv bevorzugt:

  • Keine Kerosinsteuer – Während Autofahrer für Benzin hohe Steuern zahlen und die Bahn mit Energiesteuern belastet ist, bleibt Kerosin konsequent steuerfrei.
  • Keine Mehrwertsteuer auf internationale Flüge – Während Bahntickets auf vielen Strecken mit 7 bis 19 Prozent besteuert werden, bleiben internationale Flugtickets steuerfrei.
  • Bahn zahlt hohe Trassenpreise – Während die Deutsche Bahn hohe Infrastrukturkosten trägt, werden Flughäfen mit staatlichen Mitteln subventioniert.

Die Luftverkehrssteuer ist eine der wenigen Maßnahmen, die diesen massiven steuerlichen Vorteil zumindest leicht ausgleichen. Ihre Abschaffung würde die Verzerrung noch verstärken – und Hamburg noch stärker belasten.

„Der Hamburger Flughafen scheint trotz verminderter Verkehrsleistung schon jetzt an seiner Kapazitätsgrenze, wenn wir das Maß der Verspätungen anlegen. Aber die Fluggesellschaften fordern weiter Wachstum“, warnt Mosel. „Mehr Flüge bedeuten noch mehr Lärm, noch mehr Abgase, noch mehr Belastung für alle, die hier leben.“


Interview mit Martin Mosel, Vorsitzender des Umweltverband BIG Fluglärm in Hamburg

Frage: Herr Mosel, die Luftverkehrsbranche spricht von einem „Kipppunkt“ für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Ist die Luftverkehrssteuer tatsächlich eine Gefahr für die Wirtschaft?

Martin Mosel: Nein, ganz im Gegenteil. Die Steuer sorgt dafür, dass der Luftverkehr endlich einen kleinen Teil seiner tatsächlichen Kosten trägt. Bisher profitiert die Branche massiv von staatlichen Privilegien. Wenn Flüge künstlich billig bleiben, steigen die Flugbewegungen weiter – mit massiven Folgen für Umwelt und Anwohner.

Frage: Wie äußert sich das konkret in Hamburg?

Mosel: Hamburg ist besonders betroffen, weil der Flughafen mitten in der Stadt liegt. Menschen in Stadtteilen wie Langenhorn, Alsterdorf, Niendorf oder Fuhlsbüttel sind permanent Fluglärm ausgesetzt. Trotz bestehender Nachtflugbeschränkungen gibt es regelmäßig verspätete Starts und Landungen bis nach Mitternacht. Und wenn der Luftverkehr weiter wächst, nimmt dieser Druck noch zu.

Frage: Und das bedeutet?

Mosel: Wir sehen es doch schon heute: Mehr Billigflüge bedeuten mehr Starts und Landungen, und das nicht nur tagsüber. Die Flugrouten verlaufen direkt über dicht besiedelte Wohngebiete. Die gesundheitlichen Folgen – von Schlafstörungen bis zu erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen – sind längst belegt. Wer jetzt auch noch Steuergeschenke für die Airlines fordert, verschärft diese Belastung.

Frage: Aber könnte eine Abschaffung der Steuer nicht helfen, Arbeitsplätze und wirtschaftlichen Erfolg zu sichern?

Mosel: Das ist ein Scheinargument. Natürlich ist Mobilität wichtig – aber wir brauchen nicht einfach mehr Flüge, sondern eine sinnvolle Steuerung. Hamburg hat eine exzellente Bahnanbindung, viele Kurzstreckenflüge könnten längst ersetzt werden. Gleichzeitig leiden hier zehntausende Menschen unter Fluglärm.

Frage: Und das Argument Arbeitsplätze und Wirtschaft?

Mosel: Diese beiden Punkte werden immer wieder gerne bemüht. Arbeitsplätze und die Wirtschaft sichern wir nicht, indem wir den Flugverkehr noch billiger machen. Stattdessen sollte der Staat in nachhaltige Alternativen investieren – etwa in bessere Bahnverbindungen und klimafreundliche Technologien.

Frage: Was wäre Ihr Appell an die Politik?

Mosel: Die Bundesregierung muss standhaft bleiben und die Luftverkehrssteuer nicht nur erhalten, sondern weiterentwickeln. Es darf nicht sein, dass Menschen in Städten wie Hamburg unter ständigem Fluglärm leiden, nur weil die Fluggesellschaften immer mehr Flüge anbieten können.

Frage: Und was wäre Ihre Forderung?

Mosel: Es muss klare Regeln geben: Strengere Nachtflugverbote, eine höhere Besteuerung klimaschädlicher Flugbewegungen und eine echte Lenkung hin zu nachhaltiger Mobilität. Das ist nicht nur eine Frage des Klimaschutzes – es geht auch um die Lebensqualität jedes Einzelnen.

Frage: Was kann mit der Luftverkehrssteuer noch erreicht werden?

Mosel: Die Einnahmen aus der Steuer könnten gezielt eingesetzt werden, um die Forschung und Entwicklung in der Luftfahrtindustrie zu fördern, lärmreduzierende Maßnahmen zu finanzieren und Lärmschutz breiter auszufinanzieren.

Vielen Dank für das Gespräch!

Weitere Informationen

BIG-Kommentar zur Forderung nach Abschaffung der Luftverkehrssteuer

BDL-Pressemitteilung zum Wirtschaftswarntag