„Dialog darf kein Ersatz für Handeln sein“ – BIG Fluglärm und weitere Initiativen verlassen die Allianz für den Fluglärmschutz

Nach fast zehn Jahren zieht die BIG Fluglärm Hamburg gemeinsam mit weiteren Initiativen eine klare Konsequenz: Die Beteiligung an der sogenannten „Allianz für den Fluglärmschutz“ wird beendet. Der Dachverband der Bürgerinitiativen für Fluglärm-, Klima- und Umweltschutz kritisiert die strukturelle Wirkungslosigkeit des Gremiums – und fordert neue, verbindlichere Formen der Beteiligung.

Im Jahr 2015 wurde die „Allianz für den Fluglärmschutz“ auf Grundlage eines Bürgerschaftsbeschlusses (Drucksache 20/14334) ins Leben gerufen. Ziel war es, unter Beteiligung aller relevanten Akteur*innen – Politik, Verwaltung, Flughafen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft – wirksame Maßnahmen zur Reduzierung der Fluglärmbelastung zu entwickeln. Die Gründung wurde als Meilenstein gefeiert, als Signal eines neuen Miteinanders. Doch zehn Jahre später fällt die Bilanz ernüchternd aus.

„Die Allianz war ein politisches Versprechen – aber sie ist zu einem Beteiligungssimulator verkommen“, sagt Martin Mosel, Vorsitzender der BIG Fluglärm Hamburg. „Statt zu handeln, wurde zugehört. Statt Entscheidungen zu treffen, wurde diskutiert. Beteiligung ersetzt keine Maßnahmen, wenn gesundheitliche Belastungen zunehmen.“

Keine Wirkung trotz guter Grundlagen

Die Kritik der BIG ist keine Momentaufnahme, sondern das Ergebnis jahrelanger Beobachtung, Erfahrung und zuletzt zunehmender Frustration. Zahlreiche Vorschläge, Hinweise, Gutachten und Datenanalysen wurden eingebracht – doch der Weg in die politischen oder behördlichen Entscheidungsstrukturen blieb regelmäßig versperrt.

Ein besonders deutliches Beispiel: die Verspätungsregelung am Hamburger Flughafen. Seit Jahren steigen die Zahl und Intensität verspäteter Starts und Landungen deutlich an. Immer mehr Maschinen weichen in die eigentlich geschützte Nachtzeit aus – zulasten der Nachtruhe und der Gesundheit der betroffenen Bevölkerung. Die Allianz befasste sich über mehrere Sitzungen mit dem Thema, ließ ein juristisches Gutachten anfertigen und diskutierte mögliche Reformen. Doch eine Reaktion der verantwortlichen Behörden oder politischer Vertreter*innen blieb aus.

„Die Diskussion war da, die Analyse war da, der Konsens über Reformbedarf war da – aber es geschah: nichts. Genau hier liegt das Problem der Allianz“, so Mosel.

Eigenständiger Antrag – und politisches Schweigen

Im Dezember 2024 stellte die BIG Fluglärm dann einen eigenen Antrag auf Änderung der Betriebsgenehmigung bei der zuständigen Wirtschaftsbehörde – unabhängig vom Allianz-Gremium, aber inhaltlich auf den dort entwickelten Grundlagen fußend. Zuvor verweigerte die Vertreterin der Wirtschaftsbehörde trotz mehrfacher Rückfragen jede Festlegung oder Aussage zum Stand der Rückkopplung in die Behörde. Unser Antrag wurde im März 2025 von der Wirtschaftsbehörde abgelehnt. Auf die entsprechende Mitteilung an die Vorbereitungsgruppe der Allianz folgte – abgesehen von einer brüsk ablehnenden Antwort des Flughafenvertreters – keinerlei Reaktion. Kein politischer Vertreter und keine Behörde äußerte sich dazu. Der Flughafenvertreter hat auch strikt abgelehnt das Thema auf die Tagesordnung der nächsten Allianz-Sitzung zu nehmen.

„Diese Sprachlosigkeit war der Kipppunkt“, sagt Mosel. „Ein Gremium, das sich der Realität verweigert und zentralen Konflikten ausweicht, verliert jede Legitimität. Die Allianz hat sich damit selbst entleert.“

Strukturelle Schwächen statt Dialog auf Augenhöhe

Die Kritik der BIG zielt nicht auf einzelne Personen oder die prinzipielle Idee eines Austauschs – sondern auf das Format selbst. Die Allianz sei strukturell zu schwach, um wirksame Veränderungen anzustoßen. Es fehle an klarer Verbindlichkeit und Transparenz. Beteiligung bleibe folgenlos, wenn es keine Rückkopplung in Entscheidungsprozesse gebe.

„Der Begriff ‚Allianz‘ suggeriert eine gleichberechtigte Partnerschaft. Tatsächlich aber wurde die Zivilgesellschaft regelmäßig ignoriert oder vertröstet“, erklärt Mosel. „Für die Öffentlichkeit sieht das nach Einbindung aus – für uns war es oft Ohnmacht mit Protokoll.“

Kein Rückzug – sondern ein Aufbruch

Der Austritt aus der Allianz ist für die BIG gemeinsam mit den Initiativen kein Rückzug, sondern ein konsequenter Neuanfang. Die Arbeit für den Schutz der von Fluglärm betroffenen Menschen wird fortgeführt – juristisch, politisch und öffentlichkeitswirksam. Die BIG fordert neue Beteiligungsformate, die auf Wirksamkeit, Verbindlichkeit und Transparenz ausgelegt sind. Dazu gehört aus Sicht der Initiativen auch eine Überprüfung des politischen Umgangs mit den Ergebnissen von Gremien wie der Fluglärmschutzkommission oder der Allianz.

„Wir brauchen keine Gesprächsrunden mehr, in denen jede Kritik verpufft. Wir brauchen eine Politik, die handelt – und Institutionen, die kontrollieren“, so Mosel. „Dafür stehen wir weiterhin zur Verfügung. Aber nicht mehr unter dem Deckmantel einer Allianz, die sich als Fassade erwiesen hat.“

Breite Unterstützung für den Schritt

Die gemeinsame Austrittserklärung wurde von der BIG Fluglärm Hamburg sowie von den Bürgerinitiativen FSH e.V., Fluglärm in Niendorf, der Initiative gegen Fluglärm im Hamburger Westen (IFL) und dem Kommunal-Verein Groß-Borstel unterzeichnet.

Auch innerhalb der Allianz hatte es bereits kritische Stimmen gegeben – etwa zu mangelnder Wirkung, fehlender Beteiligung bei zentralen Fragen oder zur strukturellen Dominanz von Flughafeninteressen.

Die Austrittserklärung und weiterführende Informationen finden sich unter:

🔗 Ein Dialogforum auf Augenhöhe? Die Allianz für den Fluglärmschutz

🔗 Gemeinsame Ausstrittserklärung

🔗 Gemeinsame Presseerklärung

2 Gedanken zu “„Dialog darf kein Ersatz für Handeln sein“ – BIG Fluglärm und weitere Initiativen verlassen die Allianz für den Fluglärmschutz”

Die Kommentare sind geschlossen.