Der nächtliche Fluglärm am Flughafen Hamburg hat ein inakzeptables Maß erreicht. Besonders gravierend ist die Situation in der zweiten Nachtruhe-Stunde zwischen 23:00 und 24:00 Uhr, in der verspätete Flugbewegungen massiv zugenommen haben. Die bestehenden Regelungen zum Schutz der Anwohnerinnen und Anwohner versagen völlig. BIG-Fluglärm Hamburg hat daher einen Antrag auf Änderung der Betriebsgenehmigung auf den Weg gebracht, um der ausufernden Belastung Einhalt zu gebieten.
Die geltende Verspätungsregelung erlaubt Flugbewegungen nach 23:00 Uhr, dem regulären Betriebsende am Hamburger Flughafen, sofern diese als „unvermeidbar“ gelten. Doch diese Ausnahme wird zunehmend zur Regel, da klare Definitionen fehlen und die Kontrolle unzureichend ist. In der Konsequenz finden hunderte Flüge jährlich statt, die das Nachtflugverbot faktisch aushebeln und die Nachtruhe zehntausender Menschen stören.
Systemversagen auf Kosten der Gesundheit
Juristisch vertreten durch die Kanzlei Baumann Rechtsanwälte PartGmbB (Würzburg/Leipzig) – namentlich von der Rechtsanwältin Dr. Franziska Heß – fordert der Umweltverband BIG-Fluglärm Hamburg eine Änderung der Betriebsgenehmigung des Hamburger Flughafens. Die Verspätungsregelung besteht zwar schon seit über 30 Jahren, gleichwohl hat sich in der Praxis keine Klarheit und kein Einvernehmen darüber eingestellt, wie die Bestimmung zu verstehen ist.
Dr. Franziska Heß, Fachanwältin für Verwaltungsrecht:
„Es zeigt sich immer deutlicher, dass die bestehende Regelung nicht geeignet ist, den beabsichtigten Schutz der Nachtruhe sicherzustellen. Wir haben deshalb beantragt, die Betriebsgenehmigung des Flughafens so anzupassen, dass der Lärmschutz effektiv gewährleistet wird. Nur so kann das berechtigte Interesse der Anwohnerinnen und Anwohner auf Nachtruhe geschützt werden.“
Martin Mosel, Vorsitzender von BIG-Fluglärm Hamburg:
„Seit Jahren verschlechtert sich die Situation für die Anwohnerinnen und Anwohner – und die Behörden sehen tatenlos zu. Der Schutz der Nachtruhe ist kein ‚nice-to-have‘, sondern ein Grundrecht, das der Staat zu garantieren hat. Es ist rücksichtslos gegenüber den Anwohnern, dass die Verspätungsregelung weder konsequent durchgesetzt noch an die Realität angepasst wird. Stattdessen werden die Interessen der Fluggesellschaften über die Gesundheit der Menschen gestellt.“
Belastende Fakten
- Anstieg der verspäteten Flüge: Seit Jahren nimmt die Zahl der verspäteten Flugbewegungen zu. Im Jahr 2024 entfielen bis November bereits mehr als 14% der nächtlichen Flugbewegungen auf Verspätungen nach 23:00 Uhr – fast 950 Flugbewegungen: ein trauriger Höchstwert.
- Ungenügende Kontrollen: Der Begriff der „unvermeidbaren Verspätung“ wird weder ausreichend definiert noch konsequent überprüft. Fluggesellschaften können die Regelung fast unbegrenzt nutzen, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Behörden und der Flughafen „können mit der Unbestimmtheit des Rechtsbegriffes gut leben“.
- Gesundheitliche Risiken: Studien zeigen, dass nächtlicher Lärm Schlafstörungen verursacht und die Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht. Die derzeitige Praxis ignoriert diese Gefahren vollständig.
Klarer Handlungsauftrag
BIG-Fluglärm Hamburg fordert die Hamburger Behörde für Wirtschaft und Innovation (BWI) auf, unverzüglich zu handeln. Konkret fordert der Verband:
- Anpassung der Betriebsgenehmigung: Die Ausnahmeregelung muss derart verschärft werden, dass Verspätungen nach 23:00 Uhr dauerhaft drastisch reduziert werden. Nur so kann die Verspätungsregelung die auch gerichtlich anerkannte Funktion der Begrenzung nächtlicher Flugbewegungen erfüllen.
- Verbindliche Kontrollen und Sanktionen: Eine klare Definition von „unvermeidbaren Verspätungen“ sowie regelmäßige Kontrollen und empfindliche Strafen bei Verstößen.
- Langfristige Reduzierung des Nachtflugverkehrs: Perspektivisch muss der Flughafen Hamburg zu einem Vorreiter für nachhaltigen und lärmreduzierten Flugbetrieb werden.
Der Kampf um „Nachts ist Ruhe“ geht weiter
„Wir werden nicht ruhen, bis die Menschen in Hamburg wieder ruhig schlafen können“, betont Martin Mosel abschließend. „Wenn die Behörden nicht bereit sind, endlich Verantwortung zu übernehmen, prüfen wir weitere rechtliche Schritte. Die Zeit des Aussitzens ist vorbei.“
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