Mit ihrer aktuellen Pressemitteilung hat die Notgemeinschaft der Flughafenanlieger Hamburg ein Thema aufgegriffen, das in der sicherheits- wie luftverkehrspolitischen Debatte dringend mehr Aufmerksamkeit verdient: die realen Gefahren, die vom Betrieb eines innerstädtisch gelegenen Flughafens für dicht besiedelte urbane Räume ausgehen – insbesondere im Fall technischer oder menschlicher Zwischenfälle kurz nach dem Start oder im Anflug.
Der tragische Unfall einer Boeing B787 im indischen Ahmedabad, bei dem ein Krankenhaus getroffen wurde und zahlreiche Menschen ums Leben kamen, macht deutlich: Auch modernste Flugzeugtypen und scheinbar routinierte Betriebsabläufe bieten keine Garantie für absolute Sicherheit. Überträgt man den Flugweg des Unglücksfluges auf Hamburg, wären potenziell das Volksparkstadion, große Einkaufszentren wie das AEZ oder die Hamburger Straße oder ganze Wohnquartiere in Niendorf, Alsterdorf oder Winterhude betroffen. Diese Beispiele sind keine Panikmache, sondern Ausdruck berechtigter Sorge: Die Startbahnausrichtungen 05, 15 und 23 führen unmittelbar über dicht bebaute Stadtgebiete mit hoher Bevölkerungsdichte – ein Risiko, das weder statistisch wegzudiskutieren noch institutionell zu ignorieren ist.
Hamburg kennt diese Gefährdung. Die Geschichte des städtischen Flugbetriebs liefert eindrucksvolle Belege: Das Flugzeugunglück von 1971, bei dem eine missglückte Notlandung auf der A7 bei Schnelsen 22 Menschen das Leben kostete, ist vielen noch in Erinnerung. Oder der dramatische Zwischenfall im März 2008, als ein Airbus A320 der Lufthansa mit 131 Passagieren bei Sturm nur knapp an einer Katastrophe vorbeischrammte – der Jet setzte schräg auf, der linke Flügel streifte beinahe die Landebahn. Beinaheunfälle wie dieser werden schnell vergessen, doch sie zeigen: Die Gefahr ist real – auch in Hamburg.
Der Umweltverband BIG Fluglärm in Hamburg begrüßt und unterstützt deshalb die Forderung der Notgemeinschaft nach einer externen, unabhängigen Risiko- und Unfallfolgenanalyse für den Hamburger Flughafen. Eine solche Bewertung ist überfällig – nicht erst seit dem Vorfall in Indien, sondern angesichts der strukturellen Lage des Airports inmitten eines urbanen Ballungsraums mit weitreichender Bebauung unterhalb der Start- und Anflugschneisen.
Wir stellen dabei klar: Sicherheitsvorsorge ist nicht nur eine technische oder luftrechtliche Angelegenheit, sondern eine gesamtstädtische Herausforderung. Es geht um die Frage, wie groß das potenzielle Risiko für Leib und Leben in den betroffenen Stadtteilen ist – und wie tragfähig die aktuellen Notfall- und Interventionspläne wirklich sind. Die zuständigen Behörden verweisen seit Jahren auf das Vorhandensein interner Risikoanalysen und Katastrophenschutzpläne. Wenn diese tatsächlich existieren, ist es höchste Zeit, sie transparent offenzulegen – für die Bevölkerung, für die zuständigen Ämter und Hilfsdienste in den überflogenen Gebieten, und für die demokratisch gewählten Gremien der Stadt.
Der Verweis auf interne Papiere genügt nicht. In anderen Ländern ist man längst weiter: Amsterdam Schiphol und Tokio Haneda haben umfassende Risikoanalysen durchführen lassen, die nicht nur technische Risiken und Unfallwahrscheinlichkeiten bewerten, sondern auch urbane Verwundbarkeiten, Einsatzszenarien und Folgenabschätzungen einbeziehen. Hamburg dagegen betreibt bis heute keine vergleichbare, öffentlich zugängliche Gefährdungsbewertung – obwohl die Lage des Flughafens sogar noch exponierter ist.
Wir fordern daher: Hamburg muss sich dieser Verantwortung endlich stellen. Es braucht eine extern beauftragte, methodisch saubere und öffentlich nachvollziehbare Analyse der Risiken, die vom Flughafenbetrieb ausgehen – in Ergänzung zum bestehenden Katastrophenschutz, nicht in Konkurrenz dazu. Nur so lässt sich klären, ob die bestehenden Notfallpläne ausreichen, welche Verwundbarkeiten bestehen, welche Schutzmechanismen fehlen – und wo planerisch oder organisatorisch nachgesteuert werden muss.
Denn eines ist klar: Sicherheit ist kein Zustand, sondern ein Prozess – sie entsteht durch Kontrolle, Überprüfung und den Mut, bestehende Strukturen infrage zu stellen. Wer diesen Prozess verweigert, riskiert nicht nur die Glaubwürdigkeit der Behörden, sondern auch die Sicherheit derjenigen, die im Einflussbereich des Flughafens leben.
Der Hamburger Senat hat jetzt die Chance, ein Zeichen zu setzen – für eine verantwortungsvolle Sicherheitskultur im Luftverkehr, für Transparenz und Teilhabe, für den Schutz der Bevölkerung. Wir appellieren an die zuständigen Stellen, diese Chance nicht erneut ungenutzt zu lassen. Die Zeit für eine ernsthafte Neubewertung ist gekommen. Und sie beginnt mit einem einfachen Schritt: der Offenlegung – und der unabhängigen Überprüfung – der Risiken, die schon viel zu lange ausgeklammert werden.
Pressemitteilung der Notgemeinschaft der Flughafen-Anlieger Hamburg e.V.